Mit maschinellem Lernen neue Materialien entwickeln

Die Entwicklung neuer Materialien steckt voller Herausforderungen: Sie dauert oft Jahre und erfordert aufwendige Methoden und Versuche. Das könnte sich durch Künstliche Intelligenz ändern. 

Ein Teilgebiet der KI ist maschinelles Lernen, das auch bei Freudenberg Technology Innovation (FTI) erfolgreich in der Materialentwicklung eingesetzt wird. Ein breit aufgestelltes Team aus rund zehn Freudenberg-Expertinnen und -Experten untersucht Fragen aus den Geschäftsgruppen zum Thema Materialien mithilfe der neuen Methoden.

Aktuell befassen sich mehrere strategische Projekte der Freudenberg-Gruppe damit, weitere KI- und simulationsgestützte Methoden zu implementieren. Das Ziel: die Werkstoffentwicklung beschleunigen und ihr Eigenschaftsprofil optimal auf die künftige Anwendung auslegen. Das spart Kosten und reduziert zugleich den ökologischen Fußabdruck. 

Wie verändern sich Härte und Dämpfung einer Dichtung, wenn die Rezeptur für das Produkt verändert wird? Wie kann das Reibungsverhalten durch das Material verbessert werden? Welcher andere Rohstoff hilft, die Lebensdauer eines Produkts zu erhöhen?  

 

 

Ein Programm für maschinelles Lernen spart Zeit und Routinearbeiten.

Ansgar Komp, Director, Fundamental Sciences (FTI) 

Fragen wie diese zu beantworten, bedeutete früher eine mehrjährige Arbeit mit Hunderten von Laborversuchen und Auswertungen. „Mit maschinellem Lernen geht das schneller und effizienter. Es spart Zeit und Routinearbeiten“, so Ansgar Komp, Director Fundamental Sciences bei FTI. „Wichtig ist zunächst die Qualität und Verfügbarkeit der Daten. Das bedeutet, dass wir die relevanten Labordaten strukturiert erfassen. Dann wenden wir moderne mathematische Methoden der Künstlichen Intelligenz an, die mit wenig Versuchsreihen gute Vorschläge generieren.“ Die umfassende Kompetenz der Freudenberg-Expertinnen und -Experten in der Simulation von Materialien und Produkteigenschaften trage außerdem dazu bei, dass weniger „Überraschungen“ beim Prüfen von neuen Bauteilen auftreten würden. So habe zum Beispiel die neue Werkstoffklasse Quantix Ultra effizient entwickelt werden können, so Komp weiter. 

Eine typische Herausforderung in der Materialentwicklung ist auch die seit der Pandemie eingeschränkte Verfügbarkeit von wichtigen Rohstoffen. „Das bedeutet, dass ein gutes Rezept mit einem anderen Rohstoff hergestellt werden muss, ohne die Materialeigenschaften zu beeinflussen“, so Komp. „Auch hier ist der Einsatz von maschinellem Lernen sinnvoll und hilfreich, um dieses Ziel schneller und mit weniger Ausschuss zu erreichen.“ 

 

Freudenberg treibt KI-Methoden voran

Die Freudenberg-Gruppe baut den Einsatz von KI- und simulationsgestützten Methoden strategisch weiter aus. Ein Beispiel: Das Projekt „Materials Informatics“ hat das Ziel, Werkstoffentwicklungen mit datengetriebenen Methoden effizienter zu machen. Dabei liegt der Fokus auf Elastomer-, Polymer- und Formulierungsentwicklungen, die in Wachstumsfeldern wie zum Beispiel der Brennstoffzelle angewendet werden. Das verlangt den Einsatz von Technologien, die mit Versuchsergebnissen aus neuen Charakterisierungsmethoden gefüttert werden. „Wir können so voraussagen: Wie funktioniert ein Material, wie verhält es sich?“, sagt Dr. Harald Ehrentraut, Scientific Director Fluid Dynamics bei FTI. „Solche Einschätzungen außerhalb unserer Erfahrungswelt bringen uns voran. Wir stoßen dadurch auf neue Kombinationen von Materialien, an die wir noch nie gedacht haben.“ 

 

Wenn wir Daten als Informationsquelle nutzen, steckt viel Arbeit und Zeit in deren Verfügbarmachung und Strukturierung.

Dr. Corinna Hehlmann, Head of Data Analytics (FTI) 

 

Ein anderes Projekt „Advanced Data Management“ beschäftigt sich mit Aspekten der systematischen und strukturierten Wertschöpfung aus Daten. „In jedem Projekt, das Daten als Informationsquelle nutzt, steckt viel Arbeit und Zeit in der Verfügbarmachung und Strukturierung der Daten“, so Dr. Corinna Hehlmann, Head of Data Analytics. „Durch ein übergreifendes Datenmanagement wird dieser Schritt beschleunigt.“ Auch die Vorhersage von Eigenschaften wird den Produktentwicklern durch Simulationsmethoden vereinfacht. So werden zum Beispiel im Projekt „Macroscopic Simulation“ Bauteileigenschaften wie das Reibungsverhalten in Abhängigkeit der verwendeten Materialien und Betriebsbedingungen untersucht und vom Atom bis zum Bauteil verstanden. 

Entwicklung neu denken

„Wir arbeiten daran, den klassischen Ansatz der Entwicklung umzudrehen. Statt uns Schritt für Schritt mühselig mit Versuchsreihen an die gewünschten Eigenschaften heranzuarbeiten, werden wir künftig das Eigenschaftsprofil vorgeben und mithilfe von Simulation und KI-Methoden Materialien vorschlagen. Die besten Vorschläge werden weiterhin klassisch im Labor hergestellt und untersucht“, so Komp weiter. „Der Vorteil ist, dass die gesamte Entwicklungskette effizienter wird.“