Seit April 2022 ist das Batterie- und Brennstoffzellengeschäft von Freudenberg Sealing Technologies (FST) in einer neuen Geschäftsgruppe, der Freudenberg e-Power Systems (FEPS), gebündelt. Gegenüber Kunden und Partnern positioniert sich die Gruppe klar als führender Anbieter emissionsneutraler Energiesysteme für Schwerlastanwendungen. Während die Entwicklung und Fertigung von Batteriesystemen an den Standorten in den USA bereits unter industriellen Maßstäben erfolgt, ist der Markt für Brennstoffzellensysteme im Vergleich noch in einer früheren Entwicklungsphase. Welche Chancen sich daraus eröffnen, wie Freudenberg in diesem Markt punktet und wo die Herausforderungen liegen, darüber spricht Michael Milch, Vice President Strategic Customer Programs für das Brennstoffzellengeschäft.
Herr Milch, ab wann werden wir den Diesel und andere klassische Treibstoffe im Schwerlastbereich nicht mehr vermissen?
Mit einer bloßen Jahreszahl als Prognose lässt sich das nicht beantworten. Das wäre zu verkürzt. Im Heavy-Duty-Geschäft, also beispielsweise bei LKW, Bussen, Schiffen und Zügen, gibt es unterschiedlichste Randbedingungen und noch zahlreiche Herausforderungen bis zur großflächigen Serieneinführung von Brennstoffzellensystemen zu meistern.
Aber nehmen wir das Beispiel der Fernbusse. Hier kooperieren wir im sogenannten HyFleet-Projekt unter anderem mit FlixBus als Betreiber. Nach Ende der ersten Projektphase, im Jahr 2025, plant FlixBus, mindestens 50 Brennstoffzellen-Fahrzeuge in seine Flotte aufzunehmen. Bis 2027/28 rechnen wir mit einem weiteren technologischen Entwicklungssprung, was uns zu der Annahme führt, dass noch vor 2030 die Gesamtbetriebskosten vergleichbar bzw. günstiger zum Diesel sein können – und damit die technische und kommerzielle Wettbewerbsfähigkeit. Kurzum: ab diesem Zeitpunkt müssen Fernbusbetreiber den Diesel nicht mehr vermissen.
Eine identische Entwicklung erwarten wir im Bereich der LKW-Anwendungen. Auch hier setzen wir mit unseren strategischen Partnern, wie der ZF Group, ganzheitliche Projekte für eine nachhaltige Produkteinführung auf und involvieren direkt große Flottenbetreiber.
Wie sieht es in anderen Bereichen aus, beispielsweise auf hoher See?
Hier sticht aktuell unser Projekt „Silver Nova“ heraus. Gemeinsam mit den strategischen Partnern Meyer Werft für den Schiffbau und Royal Carribean Group als Eigner und Auftraggeber wird das gleichnamige Kreuzfahrtschiff das weltweit erste seiner Art sein. Es kann die komplette Hotellast, also den Energiebedarf für alles, was nicht mit dem Fahrbetrieb zu tun hat, über ein Brennstoffzellen-Batterie-Hybridsystem abdecken. Hierfür werden 4 Megawatt Brennstoffzellenleistung und nahezu 1 MWh Batteriekapazität installiert. Beide Subsysteme werden komplett von Freudenberg entwickelt und gefertigt.
Der Hauptantrieb des Schiffes erfolgt mit verflüssigtem Erdgas, kurz LNG. Daher werden wir unsere Brennstoffzellenproduktlinie mit integriertem LNG-Reformer verbauen. Das heißt, es wird nicht direkt reiner Wasserstoff getankt und zur Brennstoffzelle gefördert, sondern das vorhandene LNG-System speist die Brennstoffzellensysteme. Diese wandeln dann das LNG in ein wasserstoffreiches Gas um, welches die Brennstoffzelle verarbeitet.
Die Abdeckung der Hotellast ist ein erster Zwischenritt zur vollständigen Ablösung von Verbrennungsmotoren in der Schifffahrtsindustrie. Schrittweise werden auch die Antriebsmotoren durch Brennstoffzellen-Batterie-Hybridantriebe ersetzt. Der Verbrennungsmotor wird also nach und nach abgelöst werden. Erste Projektpläne dazu sind bereits ausgearbeitet. Die Stärken Freudenbergs und der neuen Geschäftsgruppe zeigen sich an diesem Projekt sehr schön.
Wir können den Fokus auf passgenaue, insbesondere auch hybride Lösungen legen und denken nicht in Technologiesilos.
Welche Stärken sind das?
Wenn von unseren Kunden gewünscht, können wir alles aus einer Hand liefern. Somit haben unsere Kunden einen verantwortlichen Ansprechpartner: von der Applikationsentwicklung bis hin zu Fertigung, Inbetriebnahme und Service des gesamten Hybridsystems, bestehend aus Brennstoffzellen und Batterien. Je nach Applikation und Kundenanforderung können wir also rundum unterstützen oder auch nur ganz spezifisch – wir sind hier flexibel.
Unsere Kunden vertrauen seit Jahren auf unsere Technologien, unser Know-how und unsere Industrialisierungskompetenz im Batterie- und Brennstoffzellengeschäft. Dank gezielter Entwicklungsschritte haben wir unsere Position im Markt stetig ausgebaut und liefern mit unserem Entwicklungsfokus, der Lebensdauer und Effizienz unserer Systeme einen signifikanten Kundenmehrwert. So können wir heute den Fokus auf passgenaue, auch hybride Lösungen legen und denken nicht in Technologiesilos. Unsere Flexibilität und unsere Beratungskompetenz für die jeweils beste Energielösung im Sinne unserer Kunden, das ist ein wesentliches Erkennungsmerkmal und eine Besonderheit.
Wo gibt es noch Herausforderungen?
Wir erleben derzeit einen technologischen Umbruch mit dem Ziel einer klimaneutralen Gesellschaft. Diese Veränderung umfasst alle Sektoren, wie zum Beispiel Verkehr & Transport, den Energiesektor, das produzierende Gewerbe – dementsprechend groß sind die Auswirkungen. Es stellen sich verschiedene Fragen, auf die wir Antworten finden müssen: Wie können wir als Gesellschaft „grünen“, also ökologisch unbedenklichen Wasserstoff in ausreichenden Mengen herstellen? Wie können wir die nötige Tankinfrastruktur aufbauen? Wer kann eine hocheffiziente Brennstoffzellentechnologie in großem Stil wirtschaftlich produzieren, die den Anforderungen im Schwerlastbereich entspricht?
Diese Herausforderungen stellen sich bei einer neuen Technologie, bei der sich der Markt erst noch gestalten muss – und wir wollen hier aktiv unseren Beitrag leisten. Wir blicken dabei über den eigenen Tellerrand hinaus und nehmen gemeinsam mit unseren starken Kooperationspartnern die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick. Dies ist entscheidend, damit wir Klimaneutralität nicht nur technologisch möglich, sondern auch wirtschaftlich realisierbar machen.