Wenn Mitarbeitende individuelle Software-Anwendungen brauchen, wenden sie sich an ihre IT-Abteilung. Oder? Bei Freudenberg muss das nicht in jedem Fall so sein. Low-Code- und No-Code-Plattformen (LCNC) erlauben sogenannten Citizen Developern, also Nutzern mit wenig oder keiner Programmiererfahrung, kleinere Applikationen selbst zu entwickeln. IT-Abteilungen setzen den Rahmen dafür und unterstützen.
Wie isst man einen Elefanten? Ganz einfach: Stück für Stück. Dieser Spruch aus dem Arbeitsalltag ist nicht wörtlich zu verstehen, sondern bezeichnet in etwa dasselbe wie die sogenannte Salamitaktik. Auch bei der Salami geht es darum, etwas Großes in kleinere Teile zu zerlegen, damit wir besser damit umgehen können. Die Salami der folgenden Geschichte sind Daten. So viele Daten, dass Menschen für deren Analyse und effizienten Umgang mit ihnen digitale Werkzeuge benötigen. Bei Freudenberg beschäftigen sich täglich Tausende von Spezialisten und Experten weltweit mit Daten, die in komplexen Abläufen entstehen oder verwertet werden – sei es beispielsweise in der Fertigung, im Vertrieb oder bei der Forschung und Entwicklung. Eine davon ist Petia Philippi aus der Abteilung Forschung und Entwicklung der Geschäftsgruppe EagleBurgmann.
Scharfes Daten-Messer
Vor kurzem hat die Ingenieurin ein neues Tool mitentwickelt, mit dem das Management von Entwicklungsaufträgen vereinfacht werden kann. „Es bildet den gesamten Prozess mit Schnittstellen zu anderen Abteilungen, notwendigen Formularen und Freigabeschleifen digital ab“, sagt Philippi. Das Besondere: Sie kann es selbst programmieren, und das ohne Vorkenntnisse. Möglich macht das eine sogenannte Low-Code- und No-Code-Plattform (LCNC), in diesem Fall die „Microsoft Power Platform“. Mit der Idee und der Umsetzung unterstützte sie eine konzernweite Initiative zur Erbringung eines „Proof of Concept“ für die LCNC-Plattform – also dem Aufzeigen der Umsetzbarkeit des Konzepts.
Laut Schätzungen des US-Marktforschungsunternehmens Gartner werden über 50 Prozent aller mittelgroßen bis großen Unternehmen bis zum Jahr 2023 LCNC-Plattformen als Teil ihrer IT-Gesamtstrategie einführen. Auf einer solchen Plattform können fachliche Spezialisten, die wenig oder gar kein IT- und Programmier-Know-how haben, eigene Anwendungen erstellen. Der Vorteil: Komplexe fachliche Arbeitsprozesse lassen sich einfach und schnell digital erleichtern – und zwar von den künftigen Anwendern selbst. Die Citizen Developer können sich über visuelle Bausteine oder wenig Code-Einsatz das Tool zur Verbesserung ihrer Abläufe selbst konfigurieren, ein scharfes Messer zur Daten-Salami sozusagen.
Die Geschäftsgruppe Freudenberg Sealing Technologies (FST) zählt mittlerweile annähernd 500 Citizen Developer, die bis dato knapp 1000 Apps und mehr als 2000 Workflows mit der Plattform erstellt haben. „Dazu haben wir mehr als 50 freiwillige Key User in unserer FST Power Platform Community, die als zusätzliche Ansprechpartner für Interessierte agieren“, sagt Sascha Stetzelberg, Power Platform Administrator aus der IT-Abteilung von FST.
Dazu haben wir mehr als 50 freiwillige Key User in unserer FST Power Platform Community, die als zusätzliche Ansprechpartner für Interessierte agieren.
Sascha Stetzelberg
Nach einer ausgedehnten Pilotphase, in der unter anderem Sicherheitsaspekte, Trainings- und Lizenzfragen geklärt wurden, ist das Thema bei FST nun global ausgerollt. Das bedeutet, dass jeder der rund 7.500 Mitarbeitenden mit einer E-Mail-Adresse der Geschäftsgruppe einen Zugang hat und aktiv werden kann. „Die Plattform bietet die Möglichkeit, veraltete Anwendungen und Prozesse durch schnellere Wertschöpfung effizienter zu gestalten“, sagt der IT-Experte Stetzelberg. „Wichtig ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Produktivität und Schutz mit dem mit dem richtigen Maß an Governance und Sicherheit.“
Es hat Klick gemacht
Best-Practice-Beispiele gibt es mittlerweile genug. Eins davon: Ein FST-Kollege vom Standort Remagen verwendete die Plattform, um einen bis dato händischen Prozess zu digitalisieren. Konkret ging es um wiederkehrende Fehler, die bei der Sichtkontrolle der gefertigten Produkte bemerkt wurden. Diese wurden bisher über mehrere Schritte per Papier, Excel und E-Mail weitergegeben, bevor sie schlussendlich in das richtige System eingepflegt wurden. Diese fehleranfällige Meldekette ist nun Schnee von gestern. Die meldende Person nutzt jetzt stattdessen ein Tablet und klickt sich durch die benötigten Eingabefelder. Die Meldung wird direkt in der richtigen Datenbank gespeichert und die Information automatisiert an die richtigen Adressaten weiterverteilt.
What the hack?
Philippi und Stetzelberg waren zwei von 120 Kolleginnen und Kollegen aus neun Freudenberg-Geschäftsgruppen, die an einer von Freudenberg Technology Innovation (FTI) organisierten virtuellen Workshop-Serie zur Plattform teilnahmen – Stetzelberg sogar als Speaker. Die Workshops wurden über die Technologieplattform „Digitalisierung“ und das Data Analytics Netzwerk angeboten. 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben Anwendungsfälle aus den verschiedenen Geschäftsgruppen identifiziert und priorisiert. Fünf Projekte davon wurden ausgewählt, für die gemischte Teams aus dem gesamten Konzern im Stil eines Hackathons Prototypen entwickelten. Philippis Projekt war dabei. Da Citizen Developer die fachlichen Probleme, Aufgaben und Prozesse gut kennen, verkürzt sich in der Regel der Weg von der Idee bis zum ersten Prototyp. In diesem Fall waren es nur vier Wochen.
„Es war beeindruckend zu sehen, wie vielfältig die verschiedenen Anwendungsfälle sind und wie groß der Bedarf an Tools ist, welche die Entwicklung von Prototypen mit begrenzten Programmierkenntnissen ermöglichen“, sagt die Organisatorin der Workshop-Serie, Nina Quante.
Ein Portrait über ihre Arbeit als Data Scientist bei FTI finden Sie hier. „Die Veranstaltung zeigt, dass die LCNC-Plattform ein hervorragender Ansatz ist. Die Zusammenarbeit in dieser Freudenberg-weiten interdisziplinären Gruppe ist eine große Bereicherung und bringt uns alle enorm voran.“