Energie- und Rohstoffpreise erreichen Höchststände. Was bedeutet das für Freudenberg?
Steigende Preise und unterbrochene Lieferketten treffen natürlich auch uns, unsere Lieferanten und unsere Kunden. Das führt uns erneut vor Augen, wie wichtig es ist, dass wir Energie und Materialien effizient – also nachhaltig – einsetzen. Das zahlt sich aus. Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität haben bei Freudenberg grundsätzlich zwei Triebfedern. Die erste ist unsere gesellschaftliche Verantwortung, die wir als Unternehmen seit Generationen wahrnehmen: Wir möchten dazu beitragen, unseren Planeten langfristig lebenswert zu erhalten. Die zweite sind handfeste wirtschaftliche Interessen. Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit, und zwar in verschiedenen Dimensionen.
Nachhaltigkeit bedeutet Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit, und zwar in verschiedenen Dimensionen.
Welche Dimensionen meinen Sie?
Zum einen fordern unsere Kunden, dass wir als Teil der Wertschöpfungskette unseren Beitrag in Form nachhaltiger Effizienz- und Energieeinsparanstrengungen leisten. Zum Beispiel haben die großen Automobilhersteller Nachhaltigkeitsprogramme aufgelegt, die uns, ihre Zulieferer, sehr konkret in die Pflicht nehmen. Eigenes, nachhaltiges Handeln wird damit zur Eintrittskarte in den Markt. Die Regularien der Europäischen Union, angefangen bei den Emissionsgrenzwerten für Fahrzeuge bis hin zur Taxonomie, zielen in dieselbe Richtung. Zum anderen erwarten unsere Kunden nachhaltige Produktlösungen und Leistungen von uns. Das heißt: Produkte, die wir morgen verkaufen wollen, müssen nachhaltig sein. Das erfordert Innovationen. Für Freudenberg als Technologiekonzern ist das eine Riesenchance. Ich denke hier vor allem an unsere Lösungen im Bereich Batterie und Brennstoffzelle. Bei beiden Technologien verfügen wir bereits heute über Know-how, das wir zudem in Hybridlösungen kombinieren können. Damit stellen wir die Weichen für die Mobilität der Zukunft, nicht nur bei Autos, sondern auch bei Lkw, Bus und Bahn oder bei Kreuzfahrt- und Containerschiffen. Ein anderes Beispiel ist das Recycling von PET-Flaschen. Die sind für uns kein Abfall, sondern Rohstoff. Hier war Freudenberg Pionier und geht bis heute voran. Durch die Wiederverwertung von fünf Milliarden Plastikflaschen pro Jahr vermeiden wir 155 Kilotonnen CO2.
Freudenberg bezeichnet diese beiden eben von Ihnen geschilderten zwei Seiten derselben Medaille als Footprint und Handprint.
Richtig, das sind die beiden Dimensionen, die wir selbst beeinflussen können und mit denen wir uns deshalb intensiv beschäftigen. Wir selbst wollen energieeffizient und ressourcenschonend arbeiten, unseren eigenen ökologischen Fußabdruck stetig bis hin zur Klimaneutralität verkleinern. Das wollen wir, das will Freudenberg, bis zum Jahr 2045 schaffen. Gleichzeitig helfen unsere Produkte und Innovationen unseren Kunden, ihr Handeln immer effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Das nennen wir Handprint.
Sie haben innovative Produktbeispiele für unseren Handprint genannt. Wie aber schafft es Freudenberg, seinen eigenen CO2-Fußabdruck zu minimieren?
Das ist ein mehrstufiger Prozess, der in Teilen parallel verläuft. Unser Programm „Be energy efficient“, kurz Bee, symbolisiert den ersten Schritt. Dabei decken unsere Standorte in einem standardisierten Verfahren systematisch Verbesserungspotenziale vor allem bei Material-, Gebäude- und Energieeffizienz auf und reduzieren den Verbrauch. Die Praxis zeigt, dass durch Optimierungen Einsparungen im Durchschnitt von bis zu 25 Prozent möglich sind. Unser Werk in Oberwihl in Süddeutschland geht schon einen Schritt weiter und wird seinen Bedarf an Heizwärme und Warmwasser künftig nahezu klimaneutral decken: Holzhackschnitzel aus dem Schwarzwald werden den fossilen Brennstoff Heizöl ersetzen. Zwei Brenner werden aus der Biomasse jeweils mehr als 300 Kilowatt Wärmeleistung erzeugen. Ein eigenes kleines, ebenfalls mit Hackschnitzeln betriebenes Blockheizkraftwerk wird über das gesamte Jahr hinweg die Wärme-Grundlast abdecken. Bei Neubauten, wie aktuell bei Vibracoustic in Hamburg oder EagleBurgmann in Wolfratshausen, setzen wir ohnehin auf hocheffiziente Gebäudetechnik.
Welches sind die weiteren Schritte zur Minimierung des Footprint?
In Schritt zwei elektrifizieren wir – wo immer möglich – den verbleibenden Energiebedarf. Der dritte Schritt ist, diesen Bedarf möglichst vollständig aus sogenanntem Grünstrom, also aus erneuerbaren beziehungsweise regenerativen Energiequellen zu decken. Der Grünstromanteil bei Freudenberg betrug 2021 mit mehr als 346 Gigawattstunden schon rund 21 Prozent und soll bis 2025 auf bis zu 50 Prozent anwachsen. Im Zuge einer soliden Energieeinkaufsstrategie schließen wir langfristige Lieferverträge mit Energieversorgern ab. Solche Partnerschaften verschaffen uns Versorgungssicherheit und Kostenstabilität. Wo Prozesse nicht elektrifizierbar sind oder kein Grünstrom zur Verfügung steht, werden wir unsere angestrebte Klimaneutralität zunächst durch Kompensation erreichen.
Der Weg zur Klimaneutralität ist ein Langstreckenlauf, bei dem wir uns nicht auf den Endspurt verlassen dürfen. Wichtig ist, dass wir unsere Fortschritte belegbar messen und dokumentieren können.
Ein erstes Etappenziel, das sich Freudenberg auf dem Weg zu Klimaneutralität gesetzt hat, lautet, den relativen CO2-Ausstoß gemessen am Umsatz bis 2025 um 25 Prozent zu senken. Als Basisjahr dient das Jahr 2020. Das macht das Vorhaben besonders ehrgeizig, da im ersten Pandemiejahr der CO2-Ausstoß ohnehin schon gesunken war.
Ja, aber es gibt nichts aufzuschieben. Wir wollen kein fadenscheiniges Greenwashing betreiben. Wir machen Ernst beim Klimaschutz. Je ehrgeiziger wir sind und je schneller wir vorankommen, desto besser. Der Weg zur Klimaneutralität ist ein Langstreckenlauf, bei dem wir uns nicht auf den Endspurt verlassen dürfen. Wichtig ist, dass wir unsere Fortschritte belegbar messen und dokumentieren können. Wir legen Wert darauf, dass unsere Aktivitäten von unabhängigen Instituten nachgeprüft und auditiert werden können – alleine das zeigt unsere Ernsthaftigkeit bei diesem Thema. Als Grundlage dafür führen wir ein elektronisches Nachhaltigkeits-Reporting-System ein.
Sie sprechen das Tempo an. Agieren alle Geschäftsgruppen einheitlich?
Jede Geschäftsgruppe definiert individuell den für sie passenden Weg zur Klimaneutralität. Die Ausgangsniveaus der Geschäftsgruppen unterscheiden sich. Die Produktionsprozesse gestalten sich unterschiedlich energieintensiv und es müssen verschiedene technologische Hürden überwunden werden. Zudem stellen die Kunden den Geschäftsgruppen andersartige Anforderungen. Einige Geschäftsgruppen, wie Freudenberg Medical, mit einem vergleichsweise geringen, im Wesentlichen bereits elektrifizierten Energievolumen, werden die Klimaneutralität schon in kurzer Zeit erreichen. Diese Vorreiter, zu denen auch Klüber Lubrication zählt, werden diejenigen Geschäftsgruppen motivieren, deren Weg weiter und herausfordernder ist.