Chemie ist für Nsa‘nkwe‘ni NSISSAE wie eine Schatzsuche, bei der sie täglich neue Geheimnisse des Lebens entdeckt. Die Chemikerin entwickelt beim Freudenberg-Tochterunternehmen CAPOL in Kanada natürliche Lebensmittelfarben für die Süßwarenindustrie.
"Wenn man die Chemie entdeckt, entdeckt man sich selbst“
Ein neues Rot fürs Erdbeereis oder blaue Farbe für Gummibärchen: Die Arbeit von Nsa‘nkwe‘ni NSISSAE klingt wie ein Kindheitstraum. Täglich beschäftigt sie sich mit Süßigkeiten und sorgt gemeinsam mit ihrem vierköpfigen Team dafür, dass diese schön bunt und appetitlich aussehen. "Ich entwickle nur Formeln für Produkte, die ich auch selbst essen würde“, sagt die in Frankreich geborene Wissenschaftlerin, die selbst Süßigkeiten liebt.

Nsa‘nkwe‘ni in ihrem Labor: Mit natürlichen Farbpigmenten aus Gemüse wie Rotkohl, Rettich und Spinat entwickelt die Chemikerin Anwendungen für Süßigkeiten in allen erdenklichen Farben.
Lebendig und doch natürlich
Nsa‘nkwe‘ni (sprich: "San kwaynee") arbeitet seit acht Jahren bei CAPOL in Montreal, Kanada. Hier war sie zunächst in der Qualitätskontrolle eingesetzt. Es begeisterte die Chemikerin, dass das Unternehmen Lebensmittelfarben entwickelt, die vorwiegend natürlichen Ursprungs sind. Bereits nach einem Jahr wechselte sie ihre Position. Gemeinsam mit ihrem Team entwickelt sie seither neue Farbstoffe, um die CAPOL-Produktpalette für Kunden aus der Süßwaren- und Lebensmittelindustrie zu erweitern und maßgeschneiderte Produkte für sie zu schaffen.
In den vergangenen Jahren ist das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung gestiegen. „Gesunde und nachhaltige Lebensmittel sind bei den Kunden Trend“, sagt Nsa‘nkwe‘ni. Sie achten bei Produkten auf ein „Clean Label“. So sollen die Produkte möglichst wenig verarbeitete Zutaten, Zucker oder künstliche Zusatzstoffe enthalten, auch Bio-Produkte werden zunehmend nachgefragt.
„Süßigkeiten müssen also ganz natürlich, ganz gesund, ganz pflanzlich sein, “ sagt sie. Denn synthetische Farben seien zwar stabiler bei der Verarbeitung und oft auch billiger als natürliche. Allerdings sind diese Zusatzstoffe bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern zunehmend unbeliebt.
Die Kunst des Färbens auf Pflanzenbasis
Alle CAPOL-Farbstoffe der Produktreihe VIVAPIGMENTS® sind deshalb auf natürlicher Basis und werden häufig aus so alltäglichen Gemüsesorten wie Rotkohl, rotem Rettich oder Spinat gewonnen, die zunächst wenig nach Süßigkeiten klingen. „Diese natürlichen Farben muss man stabilisieren, weil sie sich durch äußere Einflüsse verändern können“, erklärt Nsa‘nkwe‘ni.
Aus Kohl gewonnene Farbe wird zum Beispiel nicht nur für Süßwaren, sondern auch für Molkereiprodukte und Getränke verwendet. „Sie färbt die Lebensmittel rosa, rot oder violett, manchmal sogar blau“, sagt sie. „Doch die Farbe ändert sich, wenn man den pH-Wert der Lösung ändert. Das ist ein faszinierendes Experiment, das man auch gut Nicht-Chemikern zeigen kann.“
Die Herausforderung für Lebensmittelchemiker ist es also, die intensive Leuchtkraft synthetischer Farben dauerhaft auch mit natürlichen Farbstoffen zu erreichen. Ob das funktioniert, hängt in erster Linie von der Anwendung und der Art der Herstellung des jeweiligen Lebensmittels ab. „Die Kunst besteht darin, das richtige Gleichgewicht und einen goldenen Mittelweg zu finden – lebendige, aus Pflanzen gewonnene Farben“, erklärt die Spezialistin.
Ihr aktuelles Projekt? Die Farbe Weiß. Bislang wurde das Weißpigment Titandioxid zum Beispiel als helle Grundlage für bunte Schokolinsen verwendet. Dieses soll in vielen Ländern auf der Welt künftig ersetzt werden. „Wir forschen also an einer Alternative zu Titandioxid“, erklärt sie. „Weiß ist eine schwierige Farbe.“ Aber das Team steht schon kurz vor Abschluss des Projektes und hat auch schon Proben an Kunden verschickt. „Allerdings dauert es seine Zeit, bis Kunden neue Zutaten in ihre Produktion einbauen. Jetzt ist also Geduld angesagt.
Schon als Kind sei sie von der Chemie fasziniert gewesen, sagt Nsa‘nkwe‘ni, sie habe es schon immer geliebt, die Natur zu erforschen und zu entdecken, wie die Dinge auf der Mikroebene funktionieren:
In der Schule vertiefte sich ihre Leidenschaft für die Naturwissenschaften und sie beschloss, Chemie zu studieren.
Zwei Professorinnen inspirierten sie während ihres Studiums besonders. Diese vermochten die Feinheiten der Chemie so anschaulich zu erklären, dass auch komplexe Sachverhalte leicht verständlich wurden. So schlugen sie eine Brücke zwischen Theorie und Praxis. Mit ihrer besonderen Art des Unterrichts halfen die beiden Frauen ihren Studierenden zu verstehen, wie die Chemie unseren Alltag prägt und wie man sie anwendet.
Nsa‘nkwe‘ni lernte, dass Chemie weit mehr ist als nur Molekülketten. „Sie ist die Wissenschaft hinter der Natur und prägt unser tägliches Leben.“ Die Welt der Chemie auf einer tieferen Ebene zu erkunden, wurde für sie zu einer Schatzsuche, bei der sie jeden Tag neue Geheimnisse des Lebens entdeckte.
„Offene Augen und offener Geist“
Es habe etwas Spielerisches und Künstlerisches, den ganzen Tag lang mit Farben zu experimentieren, erklärt sie – vor allem, wenn man eine echte Leidenschaft für die Chemie hat und über ein solides wissenschaftliches Fundament verfügt. Damit ist sie nicht nur Chemikerin, sondern auch so etwas wie eine Lebensmittelkünstlerin.
Die Lebensmittelindustrie ist einer der am stärksten regulierten Sektoren der Welt. Jedes Produkt und jede Rezeptur müssen innerhalb eines strengen gesetzlichen Rahmens entwickelt werden. Diese Vorschriften können Nsa‘nkwe‘ni allerdings nicht den Spaß verderben, denn sie liebt die Welt der Farben. „Ich gehe mit offenen Augen und offenem Geist durch die Welt, damit ich über die neuesten Entwicklungen in der Lebensmittelindustrie auf dem Laufenden bleiben kann“, sagt sie.
Sie erklärt zum Beispiel, dass Spirulina, eine proteinreiche Blaualge, die in Europa seit Jahrzehnten eine Standardzutat in Lebensmitteln ist, in Kanada erst im Jahr 2020 für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassen wurde.
Für die Lebensmittelfarben von CAPOL sei das eine gute Nachricht, sagt Nsa‘nkwe‘ni, denn es eröffne viele neue Möglichkeiten, etwa zum Färben von blauen Gummibärchen. Blau ist wie Weiß eine schwierige Farbe. Vor allem bei säurehaltigen Lebensmitteln wie Gummibärchen bekommt man ohne Spirulina keine blaue Farbe hin. „Aber Kinder lieben blaue Lebensmittel! So können wir die Welt der Lebensmittelfarben auf natürliche Weise bereichern."
Es kann bis zu neun Monate oder länger dauern, bis eine neue Rezeptur entwickelt ist – erst dann kann sie in Produktion gehen und schließlich in die Süßwarenregale gelangen. Nsa‘nkwe‘ni genießt jede Minute des Prozesses: "Meine Arbeit macht so viel Spaß!" Das liege auch an dem tollen Team und daran, dass sie in ihrem Job die Zeit und die Möglichkeiten habe, zu forschen und ihre Ideen umzusetzen. „Es ist schön, wenn unsere Kunden sich etwas wünschen, und ich bin diejenige, die das zu deren Zufriedenheit umsetzt“, erklärt die Chemikerin. „Wir feiern viele kleine Siege.“
Und wie sehen ihre Pläne für die Zukunft aus? „Ich möchte neue Extrakte finden – ein neues Blau, ein stabileres Rot“, erklärt sie, „am liebsten alle Farben des Regenbogens.“